«Wenn alle Stricke reissen… Unterbringung als Ultima Ratio»
Wie gelingt es der stationären Sozialpädagogik, Jugendlichen trotz komplexer Biografien, knapper Ressourcen und hohem Veränderungsdruck echte Entwicklungsräume zu eröffnen? Diese Leitfrage prägte die Tagung in Brunnen 2025 – drei intensive Tage voller fachlicher Impulse, kritischer Reflexionen und lebendiger Diskussionen.
Bereits in der Eröffnungsrede unterstrich Nicole Baracchi, dass stationäre Einrichtungen häufig der letzte Halt sind, wenn alle anderen Massnahmen ausgeschöpft wurden. Ein Aufenthalt soll dennoch ein Wendepunkt sein: hin zu Teilhabe, Stabilität und Selbstwirksamkeit.
Zentrale Impulse aus den Referaten
Albert Scherr zeigte auf, wie stark viele Jugendliche bereits belastet sind, wenn sie in eine stationäre Einrichtung kommen – oft zu spät und mit wenig sozialem oder kulturellem Kapital. Die Aufgabe der Fachpersonen: Stabilität schaffen, Orientierung geben und Chancen eröffnen – selbst dann, wenn die Ausgangslage schwierig ist.
Jana Osswald und Carole Zellner betonten die wichtige Rolle von Zugehörigkeit und Kontinuität. Heimunterbringungen seien prägende Lebensabschnitte, aber nur ein Teil einer umfassenden Biografie. Entscheidend sei, Übergänge aktiv zu gestalten und Netzwerke zu erhalten, statt neue Brüche zu produzieren.
Mit einer klaren Analyse stellte André Woodtli die gängige Formulierung der «ultima ratio» infrage. Heime seien heute keine totalen Institutionen mehr und dennoch oftmals der Ort, an dem Hilfeprozesse ins Stocken geraten. Er sprach vom «Technologiedefizit» der Sozialpädagogik – dem professionellen Anspruch, ohne einfache Rezepte handlungsfähig zu bleiben – und warnte vor Entscheidungen aus reiner Konzepttreue.
Peter Streckeisen gab einen soziologischen Blick auf Professionalisierung und Fachkräftemangel. Professionalisierung, so seine These, sei kein linearer Prozess, sondern entwickle sich im Spannungsfeld gesellschaftlicher Veränderungen. Neben formaler Qualifikation brauche es Haltung, Diversität im Team und eine echte Partizipation der Adressat:innen.
Workshops, Austausch und Innovation
In Workshops und Praxisforen wurden zentrale Themen weiter vertieft und konkrete Handlungsideen für den Alltag entwickelt.
In der Innovations-Werkstatt für Integras-Mitglieder wurde experimentiert, diskutiert und neu gedacht – mit Design Thinking (uma collective) und Perspektivenwechsel im VentiLabor (DAS.VENTIL).
Fazit: Herausforderungen erkennen – Potenziale nutzen
Die Tagung zeigte eindrücklich: Die stationäre Sozialpädagogik steht unter Druck. Doch gerade in schwierigen Situationen zeigen sich Professionalität, Haltung und Kreativität der Fachpersonen. Heime können nicht immer perfekte Bedingungen bieten – doch sie können Wendepunkte schaffen, Beziehungen tragen und Jugendlichen Türen öffnen.
Ein herzliches Dankeschön an alle Referierenden, Workshopleitenden, Teilnehmenden und das gesamte Organisationsteam für drei inspirierende Tage.

