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Rückgang von Platzierungen in Mädchenheimen

Seit einigen Jahren erleben viele stationären Kinder- und Jugendheime einen Rückgang bei der Anzahl Platzierungen. Was eine gute Nachricht sein könnte – wenn die Ursache dafür wäre, dass wirklich weniger Platzierungen notwendig sind – stellt sich bei genauer Betrachtung etwas komplizierter dar: Heimleiterinnen und Heimleiter nehmen die Tendenz wahr, dass heute mit einer Platzierung zu lange zugewartet wird, aus Spardruck oder aufgrund der falschen Annahme, dass eine Heimplatzierung die letztmögliche Lösung ist. Den Heimen für weibliche Jugendliche stellt sich zudem das Problem, dass sich die Zuweisenden die Frage danach, ob es eine genderspezifische Platzierung braucht, oft nicht stellen.

Indikation und Gender

Platzierungsanfragen landen auf den Schreibtischen der Heimleiter und Heimleiterinnen oder ihrer Erziehungsleiter und Erziehungsleiterinnen. Das Stellen der Indikation für eine Platzierung gehört zum «daily business» einer Heimleiterin, eines Heimleiters. Bei dieser Arbeit und im Austausch mit den einweisenden Stellen wird deutlich, dass sich die zuweisenden Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter die Frage danach, ob es eine genderspezifische Platzierung braucht und warum, immer seltener stellen. Kommt dazu, dass auch die Berufsbildungsheime durch den Rückgang der Platzierungen unter Belegungsdruck geraten und aufgrund dessen ihre Konzepte überdenken und allenfalls anpassen. Dies kann dazu führen, dass die Berufsbildungsheime Mädchengruppen in ihre Konzepte integrieren, dabei die genderspezifische Förderung und der Schutz der Mädchen jedoch nicht in jedem Fall gewährleistet werden kann.

Kosteneffizienz auf Kosten der Fachlichkeit

Die Leiterinnen und Leiter von Institutionen für weibliche Jugendliche (LIwJ) wissen aus Erfahrung, dass eine koedukative Platzierung in vielen Fällen, insbesondere bei Mädchen, welche Grenzverletzungen erlebt haben, für die Entwicklung der betroffenen Jugendlichen nicht förderlich ist, resp. dass die Förderung der weiblichen Jugendlichen in diesem koedukativen Rahmen leidet. Auch in der politischen Diskussion wird die Frage nach der Sinnhaftigkeit der (meist kleinen) Mädchenheime zum Teil in Frage gestellt. Es wird argumentiert, es wäre kosteneffizienter, kleine Heime zu grösseren Trägerschaften zu fusionieren. Die Frage nach der Genderspezifikation scheint dabei zweitrangig, die Kosteneffizienz wird der sozialpädagogischen Fachlichkeit und der spezifischen Förderung der Mädchen vorangestellt. Aufgrund solcher Überlegungen wurde beispielsweise die Leistungsvereinbarung mit dem Schulheim Wolfbrunnen (in Lausen, BL) nicht mehr erneuert, sondern die Trägerschaft genötigt zu fusionieren. Die Trägerschaft des Wolfbrunnen hat sich nun für eine Fusion mit dem Kinderheim auf Berg in Seltisberg (BL) entschieden. So konnte immerhin der Standort des Wolfbrunnen erhalten bleiben und die jungen Frauen des Wolfbrunnen haben nach wie vor ihren eigenen Lebensraum. Die Mädchenheime geraten in Folge dieser Entwicklung unter einen starken Legitimations- und Finanzdruck. Es werden Ressourcen für Lobbyarbeit und Legitimation gebunden, welche dann der direkten Arbeit mit den Mädchen fehlen.

Genderspezifische Unterbringung bietet Schutz und Schonraum

Zur Frage, warum die spezielle Förderung von Mädchen sinnvoll ist und warum sie in der Koedukation oft hinten anstehen, gibt es viele Untersuchungen. Für weibliche Jugendliche in Heimen gilt: Wenn diese Grenzverletzungen und/oder Traumatisierungen durch körperliche, psychische bzw. sexuelle Gewalt erlebt haben, bietet ihnen eine genderspezifische Unterbringung den nötigen Schutz und Schonraum. Ausserdem können sie in Mädcheninstitutionen ihre Identität als Frau unabhängiger von gängigen Rollenbildern und –erwartungen finden und die spezifische schulische Förderung in reinen Mädchenklassen gelingt besser.

»Kontakt
bis 31.10.2016: Heidi Bühler, Leiterin des Sozialpädagogischen Zentrums der Stiftung Hirslanden und co Präsidentin der LIwJ, E-Mail
Ab 1.11.2016: Heidi Bühler, buehlerberatung.ch, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Laura Valero, Kommunikation Integras, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.