«Auf dem Weg zu neuen Perspektiven»
Die Stiftung Transit in Freiburg (CH) ist im Bereich des Kinder- und Jugendschutzes und der Erziehungshilfe tätig. Mit dem komplementären Angebot der kurzfristigen Platzierung in ihrem Durchgangsheim sowie der sozialpädagogischen Familienbegleitung am Wohnort der Kinder (SPFB) trägt sie massgebend zur Reduzierung langfristiger Heimaufenthalte bei. Das komplementäre Angebot erweist sich als Erfolgsmodell. Ein Einblick in das Durchgangsheim der Stiftung Transit in Freiburg.
Die Zwölf ist eine starke Zahl, sie scheint in unserer Kultur omnipräsent. Sie steht auf der Uhr und mit den zwölf Monaten auch im Jahreskalender. Präsent ist sie auch im Durchgangsheim der Stiftung Transit in Freiburg. Dort steht die Zwölf für zwölf Wochen - das Zeitfenster, das zur Verfügung steht um die Kinder und Jugendlichen wieder in ein tragfähiges Beziehungsnetz zu entlassen. Fast zwölf Wochen sind es seit diesem Besuch in der Stiftung Transit in Freiburg. Eine kurze Zeit, ist doch die Bahnreise nach Freiburg noch in bester Erinnerung, genauso die Busfahrt mit der Linie 1 nach «Granges-Paccot». Wie man sich dort in einer bunten Einkaufswunderwelt wiederfindet, und nichts, aber auch gar nichts an eine sozialpädagogische Institution mit Kindern und Jugendlichen erinnert. Erst mit der Aufschrift der Klingel an der Route d’Englisberg drei ist man gewiss, angekommen zu sein.
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Ende 2017 ist die Stiftung von Villars-sur-Glâne hierhergezogen. Und würde man nicht das Konzept der Heimstruktur der Stiftung Transit kennen, so würde dieser Standort nur Kopfschütteln hervorrufen. Tatsache ist aber, dass dieses Gebäude ein Glücksfall ist. Es ist die gute Erreichbarkeit, sei es mit dem Auto oder mit dem öffentlichen Verkehr und gleichzeitig auch seine Architektur, die separate Eingänge zulässt, zum Beispiel einen separaten nur für Eltern.
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Verwinkelte Treppengänge führen über drei Etagen. Entlang dem Flur gibt es einen Einblick in die Zimmer, vorbei an den Garderoben, an einer Cafeteria und an Schlafzimmern und Aufenthaltsräumen. Die Einrichtung ist zweckmässig. Anstatt Namensschilder schaffen allgemeingültige Farbsysteme Ordnung. Der Koffer auf dem Schrank verdeutlicht es: Wir sind hier in einem Durchgangsheim, hier werden keine Kinder und Jugendliche (KJ) platziert. Hier können sie sich für drei Monate von ihrer schwer belastenden Umwelt distanzieren, sich Luft verschaffen und zur Ruhe kommen.
Während dieser Zeit darf das Kind oder der Jugendliche (KJ) unterstützt und geschützt seinen herkömmlichen Pflichten und Hobbys nachgehen, in die Schule gehen, seine Lehrstelle und seine Vereine besuchen. Auch hier kommen die Vorteile der zentralen Wohnlage wieder zum Tragen. Die KJ kommen vom Kanton Freiburg von überall her und sind auf ein effektives Netz des Öffentlichen Verkehrs angewiesen. Aufgenommen werden Kinder von 6 bis 18 Jahren welche eine belastete Lebenssituation erleben. Die anfallenden Problematiken sind sehr verschieden und betreffen sowohl das Kind als auch sein familiäres und soziales Umfeld. Folgende Probleme können vorkommen: Verhaltensprobleme, Sozialisierungsschwierigkeiten, Vernachlässigungen, physischer oder psychischer Missbrauch, Beziehungskonflikte, vorübergehende Unfähigkeit der Eltern ihre Rolle auszuüben, usw.
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In jeder Wohngruppe arbeiten 8 SozialpädagogInnen und PsychologInnen, und die Analyse erfolgt interdisziplinär und Vorschläge, wie die Intervention aussehen könnte werden im Team erarbeitet. Es folgen Gespräche mit der Familie und wenn kein Gewaltpotential vorliegt, werden die Wochenenden sehr schnell geöffnet. Das heisst, die KJ können dann nach Hause gehen, sofern die notwendige Sicherheit für einen Aufenthalt gewährleistet ist. Pascal Schweizer, Leiter der Stiftung Transit ist überzeugt, dass es gut ist, die KJ so schnell wie möglich wieder ins herkömmliche Umfeld einzuführen, damit man konkret am bestehendem Familiensystem ansetzen kann.
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An jeder Sitzung gibt es nur eine einzige übergeordnete Frage: «Was brauchst es, damit das / der KJ wieder nach Hause zurückgehen kann?», so Schweizer. Stellt denn die dafür vorgesehene Zeit von 12 Wochen nicht einen immens grossen Druck dar? Er bestätigt, dass es ein Stress ist, aber ein durchwegs positiver. Die Familienangehörigen sind gezwungen sich der Situation zu stellen, mitzudenken und proaktiv am Massnahmeplan mitzumachen. Durch diesen zeitlichen Druck ist die Zusammenarbeit mit der Familie und allen Beteiligten und Fachleuten intensiver und damit auch lösungsorientierter. Davon ist Schweizer überzeugt. Denn, wer keine Perspektiven hat, bewegt sich nicht, so sein Credo. Schweizer ist diplomierter Psychologe.
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Er erzählt zügig und gewandt in ruhigem Ton. Er kennt die Zusammenhänge und gibt seine Begründungen und Angaben schnell wieder. Mit seinem Hintergrund in diagnostische Psychologie hat er sein Team in die systemische Familienarbeit eingeführt. Er hat diagnostische Fragebögen eingeführt, mit denen das ganze familiäre Umfeld miteinbezogen wird. Er sieht in diesem Ansatz eine Chance, denn er ist überzeugt, es gibt in einer krisengeschüttelten Familie nicht ein Problem, es ist jeweils die Summe aller Probleme. Wie in der sozialpädagogischen Familienbegleitung ist die Elternarbeit ein sehr wichtiger Bestandteil.
In der Kette aller beteiligten Fachstellen hat die Heimstruktur der Stiftung Transit die Aufgabe die Situation zu analysieren, Massnahmen auszuarbeiten und die KJ auf die neue Situation vorzubereiten. Um der Aufgabe der Analyse und Intervention gerecht zu werden, sind die erforderlichen Schritte genau eingeteilt.
Im ersten Monat lernt das Team von PädagogInnen und PsychologInnen das Kind oder den Jugendlichen und seine Familie und sein erweitertes Umfeld kennen. Es werden Informationen gesammelt, «récolte d’informations» nennt er das. Im zweiten Monat geht es darum, die Situation zu analysieren, gezielte Interventionen durchzuführen und neue Ansätze auszuprobieren. Nach zehn Wochen schreibt das Transit bereits den Bericht welcher auch Empfehlungen und Vorschläge beinhaltet. Letztendlich entscheiden die Eltern, das Jugendamt oder die Justiz.
Im letzten Monat erfolgt die Vorbereitung der KJ auf die Rückkehr in die Familie oder auf eine Heimplatzierung. Auch in dieser Phase sind die KJ aktiv beteiligt.
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Dreiviertel aller KJ gehen nach einem Aufenthalt im Transit wieder nach Hause. Damit die neuen Massnahmen dauerhaft zum Tragen kommen, kann die sozialpädagogische Familienbegleitung (SPFB) beigezogen werden. Und genau die Kombination dieser beiden Angebote – Heimstruktur sowie die sozialpädagogische Familienbegleitung – trägt zur Reduzierung langfristiger Heimaufenthalte bei.
Die sozialpädagogische Familienbegleitung (SPFB) hat zehn Angestellte. Sie sind viel unterwegs, arbeiten vorwiegend in und mit den Familien und deren Netzwerk, im Sinne sozialer Arbeit vor Ort. In den Räumlichkeiten der Stiftung Transit erledigen sie vor allem Administratives und leisten Teamarbeit. Hier ist auch die zweisprachige Fachbibliothek welche auch Bücher, Spiele und andere Mittel welche in der Arbeit mit den Familien eingesetzt werden beinhaltet. Da der Kanton Freiburg offiziell zweisprachig ist, werden alle Angebote der Stiftung in Deutsch und Französisch geführt.
Zu Integras ist Schweizer erst durch die Arbeitsgruppe «Commission latine d‘éducation sociale (CLES)» gekommen und ist nun auch Mitglied der Fachkommission «Sozialpädagogik», als Vertreter der CLES. Das Leitbild der Stiftung Transit passe gut zu Integras, meint Schweizer. Über den Integras-Besuch bei der Stiftung Transit in Fribourg freute er sich sehr, und das einzigartige und innovative Konzept der Stiftung Transit stiess auf grosses Interesse seitens Fachleuten anderer Kantone.
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Wir gehen zur Küche, wo eine kleine Gruppe von Kindern ihre Mahlzeit zu sich nimmt. Die Kinder sind entspannt und begrüssen den Besuch freundlich. Es wird klar, dass für sie der Zeitdruck von zwölf Wochen auch eine Entlastung ist. Sie haben Zeit, sich zu erholen und dürfen auf Veränderungen nach ihrer Rückkehr hoffen. Diese Perspektive motiviert. Die Heimstruktur sowie die sozialpädagogische Familienbegleitung erweist sich als ein höchst flexibles Vorgehen. Es schützt das natürliche Umfeld der KJ und mindert eine langfristige Platzierung in einem Heim. Ein wirklich starkes Duo, das nichts dem Zufall überlässt.
Stiftung Transit in Freiburg
Plätze: | 20 Plätze (Heim), ca. 150 Familien fortlaufend (SPFB) |
Belegung: | von 6 - 18 Jahre |
Mitarbeitende: | 43 |
Organisation, Trägerschaft: | Stiftung |
Mitgliedschaften: | Integras |
Gerne informiert Sie Pascal Schweizer bei Fragen zur Stiftung Transit:
© Integras, Text und Fotos: Barbara Hiltbrunner Bissig